Sonntag, 17. April 2011

Tagesanzeiger: Hüten Sie sich vor dem Virus

Vor 25 Jahren verbreitete sich das erste Virus für die damals noch nicht so stark verbreiteten PC. Der Tagesanzeiger schaut im Artikel "Hüten Sie sich vor dem Virus" zurück. Der Anreiss-Text verspricht einen interessanten Artikel:
"Vor einem Vierteljahrhundert verbreitete sich zum ersten Mal ein Virus auf normalen PCs. Brain zerstörte nichts und stahl keine Daten – heute ist die Malwarebranche eine boomende Schattenindustrie."

Schön, dass schon hier explizit der "normale PC" erwähnt wird. Dies lässt die Hoffnung auf einen fachlich korrekten Artikel aufkeimen.
"Eigentlich war Brain ganz und gar harmlos. Das erste bekannte Computervirus, das sich auf normalen PC's verbreitete, zerstörte nichts und stahl keine Daten. Das Programm, das vor 25 Jahren von Pakistan aus seinen Weg um die Welt begann, ersetzte nur einige Informationen der Diskette, auf der es sich einnistete."
Ob es auch Schäden durch Brain gab, ist mir nicht bekannt. Solange das Programm keine Fehler enthält und keine Daten auf der Diskette überschreibt die von anderen Programmen benötigt werden, ist es harmlos. Grundsätzlich ist aber wohl keine Veränderung von Daten auf einem Datenträger als komplett harmlos zu betrachten.
"Ihr systeminterner Name änderte sich in (c)Brain (der Name der Diskette, anm. d. Bloggers). Vielleicht dauerte es länger, sie auszulesen. Details, von vielen Nutzern gar nicht bemerkt. Die Fachwelt aber war alarmiert. Brain liess ahnen, wie leicht es war, Heim- und Bürocomputer zu manipulieren. Heute, ein Vierteljahrhundert nach seinem Erscheinen, ist die Virenbranche eine boomende Schattenindustrie."
Ein sogenannter "Proof of Concept". Der Beweis, dass es geht. Schon damals zeigte sich, dass das Sicherheitskonzept von PCs absolut unzureichend war. Den grössten Softwarehersteller der Welt hat dies jedoch nicht davon abgehalten, noch weitere 15 Jahre Betriebssysteme zu veröffentlichen, die keine wie auch immer gearteten Sicherheitsfeatures enthielten. Die Hersteller von Antivirus Software haben das dadurch entstehende Geschäftsfeld dankbar aufgenommen.
Sehr wichtig ist auch der Hinweis, dass es heute nicht mehr irgendwelche Freaks in einem vergammelten Hinterzimmer sind, die Viren (und andere Schadsoftware schreiben) sondern eine ganze Industrie um Viren, Würmer, Botnetze und käufliche Sicherheitslücken entstanden ist. Organisiertes Verbrechen mit ähnlichen Strukturen wie den des Drogenhandels. Ein Milliardengeschäft in welchem die Betreiber sogenannter Botnets fremde Rechner an Spammer und andere Verbrecher vermieten. Noch unbekannte Sicherheitslücken in Betriebssystemen und Programmen werden meistbietend verkauft und ausgenutzt, um den Opfern unbemerkt Schadsoftware unterzuschieben. Ob Adware (blendet Werbung ein), Spyware (spioniert die Daten, das Surfverhalten und Zugangsdaten aus), Scareware (vorgebliche Sicherheitssoftware gibt viele angebliche Virenfunde an die jedoch erst mit der zu kaufenden Vollversion der Software entfernt werden können. Dabei ist die angebliche Sicherheitssoftware häufig die einzige wirkliche Schadsoftware auf dem System) oder gar Ransomware (Erpresser-Software, die Daten des Benutzers werden z.B. verschlüsselt und können erst wieder entschlüsselt werden, wenn man den Entschlüsselungscode eingibt, den man natürlich kaufen muss).

Die beiden folgenden Abschnitte sind lesenswert. Aber den ganzen Artikel kann man auch beim Tagesanzeiger online nachlesen.
"Zwar gab es 1986 schon Viren. Die aber trieben auf Apple-Computern oder im geschlossenen Internet-Vorläufernetz Arpanet zwischen Forschungszentren und Regierungseinrichtungen in den USA ihr Unwesen. Brain war der erste Schädling für das vergleichsweise neue Microsoft-Computer-Betriebssystem, das damals auf einer zunehmenden Zahl von Rechnern für Durchschnittsnutzer installiert wurde."
Da gibt es nicht viel dazu zu sagen. Schön umschifft der Autor die Debatte, welches denn nun das erste Virus war. Je nach Quelle sind die Angaben höchst unterschiedlich. "Elk Cloner" für den Apple II in 1982 ist entgegen der Angabe vieler Quellen aber wohl bei weitem nicht der älteste. Denn schon 1971 verbreitete sich Creeper durch das Arpanet (Vorläufer des Internet) auf den daran angeschlossenen PDP-10.
Und etwas weiter unten, im letzten Abschnitt:
"Heute wird die Szene von anonymen Profis beherrscht, die gezielt Programme etwa zum Ausspähen von Online-Bankdaten entwickeln. «Die Virenschreiber sind viel kommerzieller geworden», betont Marx. Masse sei an die Stelle der «big bangs», der viel beachteten Durchbrüche um des Ruhmes Willen, getreten. Auch die Viren-Urväter aus Lahore haben dazu ihre Meinung. Heute gehe es um «rein kriminelle Aktivitäten», kritisiert Amjad Alvi: «Das war nicht die Idee, die wir damals hatten.»"
Auch dies eine Information, die sehr wichtig ist. Man hat es nicht mehr mit pickelgesichtigen Computervandalen zu tun, sondern mit Profis im Dienste des organisierten Verbrechens! Die Hersteller von Antiviren-Software kommen schon lange nicht mehr nach, alle Varianten aller Schadsoftware in ihren Produkten einzupflegen. Jemand, der einfach nur seinen Computer benutzen will und sich nicht täglich mit den Thema Computersicherheit befasst, hat heute keine Chance, ein Windows-System selbst sauber zu halten. Denn dank Flash-Werbebannern wird heute selbst über die Websites renommierter Medienhäuser Schadsoftware verbreitet. Und weil Adobe offenbar mehr Wert auf immer neue Features in ihrem Flashplayer legt, statt sich endlich mal ernsthaft um dessen Sicherheit zu kümmern, stehen immer wieder Sicherheitslücken z.T. über Monate offen und machen die Computer von Millionen von Benutzern anfällig für Viren und Würmer (dieser Vorwurf trifft übrigens nicht nur Adobe alleine, sondern auch viele andere Hersteller. Da aber der Flashplayer sowie der Adobe-Reader auf fast jedem PC zu finden sind, bieten sich die beiden Programme für Angriffe geradezu an!)

Abschliessend bleibt zu sagen, dass dies ein feiner, sauber recherchierter Artikel ist, an welchem es nichts auszusetzen gibt. Da hat Reto Knobel saubere Arbeit geleistet. Da macht das Lesen der Zeitung doch gleich wieder mehr Spass!

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