Montag, 16. Juni 2014

Das St. Galler Tagblatt und seine verpassten Chancen....

In der Ausgabe vom Freitag, den 13. Juni 2014 schreibt Olivia Hug einen Artikel mit der Schlagzeile:
"Schleichweg zum Güterbahnhof gesperrt"

Wie so oft hat das St. Galler Tagblatt es auch diesmal verpasst, einen Artikel zu veröffentlichen, der wirklich lesenswert und spannend gewesen wäre.
So wie der Text sich nun präsentiert, erregt er weder die Aufmerksamkeit der Leser noch geht daraus klar hervor, wo die wirklichen Probleme liegen.

Tatsache ist: Nicht der "Schleichweg" wurde gesperrt, sondern gleich zwei Fussgängerbahnübergänge und zwar jene, die die Zimmer- bzw Schlosserstrasse bis vor kurzem und über 100 Jahre lang mit der Güterbahnhofstrasse verbunden haben.

Die beiden Fussgängerübergänge sorgten bis zum 12. Mai 2014 dafür, dass die Bewohner der kleinen Reihenhaussiedlungen an der Zimmerstrasse, Schlosserstrasse und Oberstrasse sowie die Bewohner des Quartiers Tschudiwies nicht nur auf direktem Weg ins Güterbahnhofareal gelangen konnten, sondern auch und vor allem führten die beiden Übergänge zum direkten Veloweg ins Stadtzentrum, zur Kompostanlage, zur Velowerkstatt und zur Entsorgungsstelle im Güterbahnhof.


Im Amtsblatt vom 5. Mai 2014 war folgender Text zu lesen:



zur Einsprache offen
Schliessung von Bahnübergängen
Bekanntmachung:
Der Bahnübergang der Strecke St.Gallen–Gais–Appenzell, Gemeindegebiet St.Gallen, Bahn km
0.785, welcher die Güterbahnhofstrasse mit der Schlosserstrasse verbindet, wird zur Vermeidung
der Gefahr für Personen und Sachen, gestützt auf EBG Art. 19, in den nächsten Tagen geschlossen
und aufgehoben.
Einsprachen sind innert dreissig Tagen zu richten an: Bundesamt für Verkehr BAV, Abteilung
Infrastruktur, Sektion Bewilligungen II, CH-3003 Bern.
Bekanntmachung:
Der Bahnübergang der Strecke St.Gallen–Gais–Appenzell, Gemeindegebiet St.Gallen, Bahn km
0.903, welcher die Güterbahnhofstrasse mit der Zimmerstrasse verbindet, wird zur Vermeidung
der Gefahr für Personen und Sachen, gestützt auf EBG Art. 19, in den nächsten Tagen geschlossen
und aufgehoben.
Einsprachen sind innert dreissig Tagen zu richten an: Bundesamt für Verkehr BAV, Abteilung
Infrastruktur, Sektion Bewilligungen II, CH-3003 Bern.




Amtsblatt 5.5.2014
Kt. St. Gallen



Frau Hug vergisst in ihrem Artikel zu erwähnen, dass die Appenzeller Bahnen die beiden Übergänge durch einen Zaun sperren liessen, noch bevor die Einsprachefrist abgelaufen war. Leute, die den Übergang seit Jahren benützten, standen am 12. Mai um 12.00 Uhr vor einem neu errichteten Zaun. Sie wurden vorgängig NICHT darüber informiert, dass der Übergang geschlossen werden sollte. 


Das grösste Problem der Anwohner wurde im Bericht nicht mal ansatzweise erwähnt.
Tatsache ist, dass der Zugang zum sicheren, breiten Veloweg ins Stadtzentrum nicht mehr möglich ist.
Die Alternative sieht SO aus:

Die Bewohner der Schlosserstrasse müssen, um den Veloweg ins Zentrum noch benützen zu können, via Oberstrasse und Postlogistikzentrum zur Güterbahnhofstrasse fahren. Wie hier neben dem Bus noch ein Velo Platz haben soll, ist nicht nur mir ein Rätsel. Die Situation ist lebensgefährlich, zumal der Bus hier gerade um die Kurve fährt und der Fahrer absolut keine Möglichkeit zum Ausweichen hat.


Auf dem Heimweg vom Stadtzentrum zur Schlosserstrasse oder Zimmerstrasse sieht es nicht viel besser aus.
Die Spiegel der geparkten Autos ragen weit in die Velospur hinein - alle 10 Minuten fährt hier ein Bus der Linie 2/8 - wie soll sich da ein Velofahrer noch sicher fühlen? Unmöglich!


Auch die Bewohner der Zimmerstrasse und des Tschudiwiesquartiers hatten bis zum 12. Mai einen direkten Zugang zum Veloweg der Güterbahnhofstrasse. Nun können sie nur noch auf diese Art und Weise zur Güterbahnhofstrasse gelangen:


Die Autos, die hier rechts abbiegen (Oberstrasse Richtung Vonwilbrücke) belegen einen grossen Teil der Velospur, weil sie sonst die Kurve nicht sauber erwischen.


Das sieht dann SO aus - wie soll HIER noch ein Velo dazwischenpassen?


Die Bewohner der Zimmerstrasse / Paradiesstrasse haben keine Möglichkeit mehr, den Kompostplatz auf bisherigem Weg zu erreichen. Man muss jetzt via Oberstrasse ins unwegsame Gelände, um den Komposteimer doch noch leeren zu können.

Auch die Velowerkstatt ist nicht mehr gut erreichbar. Die Restaurants an der Oberstrasse, die bis vor kurzem noch die Schüler der Staplerfahrschule und die Mitarbeiter der Velowerkstatt über Mittag verpflegten, sind ebenfalls nicht mehr erreichbar. Für die betroffenen Gastronomen ging ein nicht unwesentlicher Teil ihrer Einnahmen von einem Tag auf den anderen verloren - OHNE dass sie vorgängig über die Schliessung der Übergänge informiert worden wären.

DAS sind die wirklichen Probleme der betroffenen Anwohner. Es geht nicht um einen "Schleichweg" sondern um die sichere Möglichkeit, zu Fuss oder mit dem Velo ins Stadtzentrum zu gelangen. Die Appenzeller Bahnen sprechen von "Sicherheit" und davon, dass die Sicht für die Fahrer zu schlecht gewesen sei. Dass den Anwohnern nun auch in Zeiten, in denen die Bahn gar nicht fährt (frühmorgens, spätabends, während der Bauzeit des Tunnels) der Zugang verwehrt bleibt, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Die grösste Frechheit bestand jedoch darin, dass die Appenzeller Bahnen die Einsprachefrist nicht beachtet haben, sondern schon 3 Wochen vor Ablauf dieser Frist die Übergänge gesperrt haben. Quo Vadis, Rechtsstaat?

Und: Quo Vadis, Tagblatt?

Leider wurde einmal mehr schlecht recherchiert. Frau Hug erwähnt zum Schluss des Artikels noch, dass durch die Schliessung der Übergänge auch die "SBB-Mitarbeiterparkplätze an der Zimmerstrasse" nicht mehr erreichbar seien. Dies sei aber "für die SBB kein Problem" 
Tatsache ist, dass es diese "Parkplätze" schon seit vielen Jahren gar nicht mehr gibt.


Dass die Schlosserstrasse im Artikel auch mal "Schlossstrasse" genannt wird, zeigt, wie wenig sich die Autorin mit dem Quartier beschäftigt hat. Die Strassennamen sind hier allesamt auf die Berufe der ersten Bewohner in den 1870-er Jahren zurück zu führen: Zimmerstrasse, Wagnerstrasse, Schlosserstrasse :)