Samstag, 9. Oktober 2010

Tagesanzeiger: Der Unterricht findet statt, trotz grossem Lehrer-Notstand

Auch hier wird bei einem Thema nachgefasst, welches vor Monaten Schlagzeilen machte. Das ist absolut positiv zu werten.

Der Einleitungstext lässt einiges erhoffen:
"Das Aushilfspersonal, das den Lehrermangel lindern soll, hält sich gut – vor allem die Studierenden. Trotzdem gibt es zum Teil massive Probleme. Die Bildungsdirektion spricht aber von Einzelfällen."
Also, ran an den Speck! Als Newsjunkie interessierte mich vor allem der zweite Satz, in welchem von zum Teil massiven Problemen gesprochen wird.

Schön, dass der Anfang des Artikels nochmals auf die Ursprünge eingeht:
"Hunderte von Lehrerinnen und Lehrern haben im Sommer gefehlt."
 Hunderte? Also zwischen 200 und 999? Gibt es da keine genaueren Angaben?

Tja, ab in das Archiv... in einem Artikel vom 12.8.2010 gibt es eine Antwort:
"Am 11. Juli verzeichnete die Website educajob.ch für den Kanton Zürich noch 194 freie Stellen. Innerhalb von vier Wochen wurden somit 150 Lehrpersonen angestellt."
Aha, also knapp 200, das liest sich schon deutlich weniger dramatisch. Also, weiter suchen. Ein Artikel vom 2.7.2010 hat im Infokasten noch eine Angabe:
"Gestern waren auf der kantonalen Stellenbörse noch 246 offene Dauerstellen auf Beginn des nächsten Schuljahres aufgeschaltet."
Das "gestern" bezieht sich also auf den 1. Juli 2010. Gut, immerhin knapp 250 offene Lehrerstellen. Schade, dass ich mir diese Info selbst suchen musste (auch in der Print-Ausgabe des TA steht nicht mehr).


Dann folgt ein Lobgesang auf die Lösung mit den Studierenden.
"Sie fänden ihre Arbeit spannend, sagt Keller und bezeichnet den verfrühten Einstieg in den Beruf gar als ideal: «Die Jungen können alle Arbeiten einer Klassen-Lehrperson ausführen und die Verantwortung in den Zweierteams teilen.»"
Wenn ich das so lese, frage ich mich, wieso das denn nicht seit Jahren zur Ausbildung gehört. Naja, vielleicht hatte die ganze Krise doch noch etwas Gutes.

Es folgen Ausführungen zu den aufgetretenen Problemen.
"Probleme gebe es vor allem mit Lehrpersonen mit stufenfremden Diplomen, weiss Peter Gerber. Er hat von Mittelschullehrpersonen gehört, die ihre Stelle in der Volksschule nach kurzem wieder aufgaben."
Gehört?...
"«Viele kennen nicht einmal die Lehrmittel, mit denen sie unterrichten sollten.»"
Ok... aber das geht doch jeder Lehrperson so, wenn neue Lehrmittel eingesetzt werden. Auch ein Kantonswechsel zieht meist solche Konsequenzen nach sich. Sogar Lehrer müssen lernen....
"Es gebe in den Schulen heute Lehrpersonen, die nur über eine marginale pädagogische Ausbildung verfügten."
Ok, das ist vor allem für die Schüler schlecht. Wenn das der Fall ist, wurden definitiv die falschen Personen eingestellt.

Interessant:
"Auch Lätzsch kennt Fälle, in denen es mit kurzfristig eingestelltem Personal massive Probleme gibt. Besonders stossend findet sie, dass die Schulen für den Zusatzaufwand nicht entschädigt werden. Laut Lätzsch wäre dies kostenneutral möglich, denn Lehrpersonen ohne passende Ausbildung verdienen nur 80 Prozent des normalen Gehalts. Den Rest verlangt Lätzsch jetzt für die Schulen."
Oh, das wirft mal wieder ein schlechtes Licht auf die Lehrer:"Es geht denen doch nur ums Geld!" Da soll sich halt jeder die eigene Meinung bilden.

Der letzte Abschnitt ist ein Sahnestückchen (zwecks Übersichtlichkeit aufgeteilt):
"Martin Wendelspiess, Chef des Volksschulamtes, reagiert auf diese Forderung erstaunt: «Das hören wir zum ersten Mal.»"
Diese Aussage spricht nicht gerade für die Kommunikation zwischen den involvierten Stellen.


"Mit den anderen kurzfristig Eingestellten gebe es zwar vereinzelt Schwierigkeiten, räumt Wendelspiess ein, doch die Meldungen seien angesichts der Gesamtzahl der Anstellungen «verschwindend klein»."
Nunja... das hilft den Schülern der betroffenen Klassen wenig. Auch hier wären Zahlen interessant! Wieviel ist "verswchindend klein"?
"Dadurch könne kein Anspruch auf die 20 Prozent der Lohndifferenz abgeleitet werden."
Stimmt... um 20% der Lohndifferenz (d.h. 20% von 20% des Lohnes, sind 4%, macht bei einem Lehrergehalt von geschätzten 8000.- gerade mal 320.- Es lässt sich nun natürlich nicht nachvollziehen, aber wahrscheinlich ist dieser Lapsus Daniel Schneebeli (dem Autor des Artikels) unterlaufen.
"Im Übrigen seien auch pensionierte Lehrpersonen eingestellt worden, die überdurchschnittlich verdienten."
...und deren Einstellung ja wohl auch nicht für Mehraufwand bei den Kollegen sorgt.


Meine Neugier nach der Art der Probleme wurde in diesem Artikel leider nur teilweise befriedigt. Auch der Mangel an Fakten (Zahl der offenen Stellen, wieviele der neuen Lehrer insgesammt wieder abgesprungen sind usw.) oder Verweisen auf frühere Artikel fehlt.
Ob der Hinweis auf die Stelleninserate da weiterhilft?
"Gestern waren auf der kantonalen Stellenbörse 56 Dauerstellen ausgeschrieben. Die meisten mit grossem Pensum und fast die Hälfte davon mit Start nach den Herbstferien."
Solange ich nicht weiss, ob man hier auch die Studenten ablösen will oder ob  dies Stellen sind, die man einfach "gerne" besetzen würde, ist die Aussagekraft dieser Zahl beschränkt.

Zusätzliche Stimmen von Schülern oder Eltern hätten diesen Artikel deutlich aufgewertet.

Ansonsten ein schöner Artikel. Vor allem die offenbar durchwegs positiven Erfahrungen mit den Studenten der Pädagogischen Hochschule Zürich geben hoffentlich Impulse für die künftige Ausbildung.

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