Mittwoch, 7. Mai 2014

Tagblatt:"St.Galler Wireless" soll weitergeführt werden

Beim Artikel vom 5. Mai im Tagblatt drängt sich mir die Frage auf, wo das St. Galler Tagblatt die Grenze zwischen Publireportage und Gefälligkeitsartikel zieht.

Update 7.5.2014, 12:06
SRF hat den Artikel auch einfach unverändert von des SDA kopiert. Genauso wie Inside-IT (die sich wenigstens nicht "journalistisch" geben wollen) und 20min.

Ein kurzer geschichtlicher Abriss von Openwireless St. Gallen. Traurig, dass das St. Galler Tagblatt selbst lokale Meldungen einfach von der SDA kopiert und sich nicht mal die Mühe macht, das eigene Archiv oder andere (durchaus verfügbare!) Quellen zu den Fakten zu konsultieren!


Aber schauen wir uns doch ein paar Auszüge aus diesem journalistischen Meisterwerk an:
"Für die Pilot-Installation sprach das Stadtparlament 2011 einen Kredit von knapp 600'000 Franken. Zuvor war ein 2006 von Privaten lanciertes Bürgernetz, das sogenannte Openwireless, gescheitert."
Weiss die Stadt wirklich nicht mehr, dass ihre eigenen Mitarbeiter vom damaligen OIA 2005 die Sache nach St.Gallen brachten?
Und was soll der Ausdruck:"Sogenannte Openwireless"?

Zu Openwireless:
Es gibt eine Gruppe von Leuten, die sich unter dem Namen "Openwireless" in Bern zusammen fanden und ein Bürgenetz aufbauten. Später wurde dann (auf Initiative der Stadt St.Gallen) "Wireless St. Gallen" gegründet (später aus reinen PR-Gründen umbenannt zu "Openwireless St. Gallen").

Die Stadt bot einen Internetzugang und 3 Hauptzugriffspunkte, der Rest wurde durch einen Verein erledigt. Ziel war es, in grossen Teilen der Stadt einen kostenlosen Internetzugang zu bieten.

Der komplette Support wurde durch Mitglieder des Vereins unentgeltlich erbracht (das lässt sich übrigens alles im Archiv des Tagblatt nachlesen, aber das wäre ja "Recherche" und damit wohl zu viel verlangt).

Was nicht in den Archiven steht: Die Mitglieder des Vereins merkten bald, dass die 3 Hauptzugriffspunkte nicht ausreichten, um ein flächendeckendes Netz in der Stadt auf zu bauen. Zuerst hiess es "Politisch nicht machbar" (Angst vor Strahlung), später wurde eine Untersuchung zu Möglichkeiten bei der HSR in Auftrag gegeben. So wurden die Mitglieder des Vereins 3 Jahre lang hingehalten (und mussten enttäuschten Bürgern der Stadt erklären, wieso das Versprechen der Stadt nicht eingehalten werden konnte).

Als die Stadt dann beschloss, ein rein kommerzielles WLAN nur an bestimmten Plätzen auf zu bauen und Openwireless St. Gallen fallen zu lassen, kam dies für den Verein relativ überraschend (obwohl die Entscheidung stadtintern bereits Monate zuvor bekannt war). Grund dafür war hauptsächlich, dass man für die Technik von Openwireless keinen "Business Case" sah und für das St.Galler Wireless ursprünglich ein Gebührenmodell vorgesehen war.
Die Kosten für den Ausbau von Openwireless wären übrigens bei ca. einem Drittel der jeztigen Variante gelegen.
Fakt ist: Openwireless St.Gallen ist  nicht "zuvor gescheitert" sondern wurde zugunsten des infrastrukturbasierten Ansatzes aufgegeben.
"Der Pilot wird vom Stadtrat und den St.Galler Stadtwerken (SGSW) als erfolgreich bezeichnet, wie der zuständige Stadtrat Fredy Brunner am Montag vor den Medien sagte. Gegenwärtig werden über das Gratis-WLAN der Stadt täglich rund 35'000 Verbindungen ins Internet aufgebaut. Diese Zahlen explodierten, als der Zugang gratis wurde."
Openwireless wurde aufgegeben, weil kein Bezahlmodell machbar schien. Der Grund, mit dem aktuellen Ansatz zu arbeiten war, Geld verlangen zu können. Das Projekt nach Wegfall des Gebührenmodelles als Erfolg zu bezeichnen, scheint mir etwas optimistisch. Wo bleiben die kritischen Fragen?
"Dank dieser kleinen Antennen in einem dichten Netz habe die Strahlenbelastung trotz einer Verdoppelung des Datenverkehrs reduziert werden können."
Diese "kleinen Antennen" nennt man gemeinhin "WLAN-Router" oder (techisch nicht ganz korrekt) "Hotspots".
Spannend ist für mich aber die Frage:"Gegenüber WAS konnte die Strahlenbelastung reduziert werden?" So sagt dieser Satz genau nichts aus und ist als reine PRAnsage zu werten, wie sie typisch für Publireportagen und ähnliches ist.
"Ausbauen will der Stadtrat das öffentliche drahtlose Netz aber nicht - aus Kostengründen und weil er will, dass die Internet-User in den Wohngebieten via Glasfaserkabel online gehen."
D.h. die Bürger bezahlen zwar, hauptsächlich genutzt werden dürfte es aber von Touristen, Studenten und Geschäftsleuten.
"Der Stadtrat beantragt dem Parlament, das "St.Galler Wireless" dauerhaft weiterzuführen, so wie heute bei jährlichen Betriebskosten von 40'000 Franken."
Die Betriebskosten für Openwireless St. Gallen lagen anfangs bei ca. 20'000 pro Jahr, wovon 10'000 auf den (nun günstigeren) Internetuplink entfielen.

Meine Fragen nach diesem Artikel:
Wofür brauchen wir Journalisten, wenn wir genau so gut direkt die Pressemitteilungen lesen könnten? Wo bleibt das kritische Hinterfragen? Wo die zuverlässige Information?
Was bedeutet es für den Journalismus, wenn ich sowieso selbst recherchieren muss um Fakten zu erhalten? Wenn ich als Laie mit 5 Minuten Recherche zuverlässigere Informationen erhalte?

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