Freitag, 12. November 2010

Tagesanzeiger: Microsoft will die Schweiz computertauglich machen

Ja, ich weiss, schon wieder Tagesanzeiger, und schon wieder der Digitalteil... aber diesen Artikel konnte ich mir wirklich nicht ersparen. Da beginne ich mich ernsthaft zu fragen, was denn am Freitag in der Tagi-Redaktion los ist.
"Informationstechnologie ist für viele noch ein Buch mit sieben Siegeln. Und doch verlangen viele Arbeitgeber, dass Bewerber sicher im Umgang mit dem PC sind. Eine neue Initiative soll helfen."
Ausbildung ist immer gut. Und gerade im IT-Bereich dringend nötig. Denn der Informatikunterricht in der Schule ist für die Katz (die Informationen, die meiner 13-jährigen Tochter in den letzten Monaten vermittelt wurden sind z.T. seit mindestens 5 Jahren veraltet, unvollständig und einseitig. Aber wenn ich die Powerpoint-Präsentationen an den Elterninformationsabenden sehe, wundert mich gar nichts mehr).

Die Bildunterschrift ist bezeichnend:
"Zu wenig Fachkräfte: Mittels internetbasierten Trainingsmodulen können junge Erwachsene PC-Programme von Microsoft kennen- und anwenden lernen."
Also, eine "Fachkraft" ist nicht jemand, der weiss, wie man Word und Excel bedient. Das ist jemand, der sich mit IT (und nicht nur mit PCs) auskennt. Oder reicht die Kenntnis von der Bedienung einiger weniger Microsoft-Applikationen inzwischen aus, damit man sich "Fachkraft" in diesem Bereich nennen darf?

Aber der eigentliche Artikel beginnt ja erst. Und da wird es so richtig haarig:
"Mittels internetbasierten Trainingsmodulen können junge Erwachsene PC-Programme von Microsoft kennen- und anwenden lernen."
Aha...  Man macht Leute "computertauglich", indem sie ein paar Microsoft-Programme kennenlernen. Gut, das machen unsere Schulen ja auch.
"In einer gemeinsamen Medienmitteilung zeigen sich die beiden Unternehmen überzeugt, dass Beesmart ein Beitrag sei, «IT-Wissen allen Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen und so die Chancengleichheit zu fördern»."
Nein, ich habe nichts ausgelassen. Und ich weiss wirklich nicht, welches das 2. Unternehmen ist, von dem da urplötzlich die Rede ist!
Was "beesmart" ist, kann man sich höchstens zusammenreimen. Wenigstens findet man in der Seitenleiste einen Link zu beesmart.ch. Dort steht dann auch, dass das Ganze ein Gemeinschaftsunternehmen von der schweizerischen Post und Microsoft ist. Naja, wieso soll mir eine Zeitung Infos liefern, die ich mir auch selbst besorgen kann...
"Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom Staatssekretariat für Wirtschaft und der Job Factory für Jugendliche ohne Lehrstelle. Sie steht unter dem Patronat des eEconomy Boards."
Was ich hierbei erschreckend finde: Der Journalist unterlässt es, die Motivation der Stellen zu hinterfragen. Hier werden mit der Unterstützung staatlicher Stellen und halbstaatlicher Firmen mal wieder ein paar Microsoft-Only-Computeranwender herangezüchtet.
Denn wer beesmart.ch besucht, sieht, dass man dort Excel 2007 (und nicht Tabellenkalkulation) und Word 2007 (und nicht Textverarbeitung) lernt. Die Unterscheidung mag weit hergeholt erscheinen, ein Durchspielen der Tests zeigt jedoch, dass man diese nur mit "sehr gut" abschliessen kann, wenn man die genauen Befehlsbezeichnungen von Microsoft Word/Excel/Powerpoint kennt.
Erfreulicherweise werden jedoch auch einige allgemein sinnvolle Dinge gefragt (z.B. die Verwendung von Formatvorlagen, oder dass man es in Präsentationen mit den Effekten nicht übertreiben soll).

Was mir immer noch rätselhaft erscheint: Wieso braucht es für eine reine Microsoft-Werbungs-Seite die Unterstützung so vieler Stellen?

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